Sommerreise des »AR«
1924

Vollzeug nach See

 

Bootsmann: Yachtmatrose Garling aus Eckernförde
Junge: Hans Schädla
Smutje: Frau Rasmussen
Steward: Anna Ranghild Rasmussen
Kapitän: Henry Rasmussen

Endlich läuft die hochgetakelte Ketch vom Stapel, es ist einhalb 12 Uhr am Sonnabend, dem 28. Juni. Der wichtige Akt geht ohne Sang und Klang vor sich; da die Yacht schon eine Woche später in Svendborg vor Anker gehen soll, ist keine Minute zu verlieren. - Jetzt fängt wieder eine lebhafte Tätigkeit an Bord an: Tischler, Sattler, Dekorateur drängeln sich in den Räumen, der Motor wird probiert, die elektrische Lichtanlage muß nachgeprüft werden. Die Takler arbeiten bis zum Dunkelwerden und den Sonntag hindurch, und schon am Mittwoch kann »AR« loswerfen und in See gehen.

Die Mannschaft ist schon seit einiger Zeit angemustert, und wir sehen sie zum ersten Male am Sonntag an Bord um einzurichten. Die Barkasse bringt einige Riesenkoffer mit Ausrüstungsgegenständen für die Mannschaft. Bootsmann und Junge haben ihre Not, sie über den schmalen Steg an Bord zu bringen, wo der Inhalt vom Smutje und Steward in den unzähligen Schränken, Schubladen und Fächern verstaut wird. Auch Getränke, Konserven und andere Mundvorräte werden herbeigeschafft und in der trockenen Bilge des Stahlschiffes, unter den Salonsofas und im Eis- und Vorratsschrank verstaut.

Bald war auch die Bilge des Vorschiffes mit Brennholz für den Feuerherd angefüllt. In der Segelkoje waren Tauwerk und Bezüge wohlverstaut, und der Doppelboden war voll Frischwasser. Das Deck wurde noch einmal gehobelt und mit Sand gescheuert, sodaß es weiß wie Schnee war.

Nun hätte die Fahrt losgehen können, ja hätte, wenn das Wichtigste nicht gefehlt hätte, die Segel. Und auch die Segel kamen, und zwar zum letzten Termin, am 2. Juni, um 1 Uhr. Jetzt fing noch einmal eine fieberhafte Tätigkeit an. Die Segel paßten, das Winchgeschirr funktionierte, und um 4 Uhr 40 Minuten wurden die Leinen losgeworfen und fort ging’s unter Vollzeug mit leichter achterlichter Brise weserabwärts. Der Kapitän saß am Steuer, und die übrige Besatzung und die Passagiere winkten den an Land Zurückbleibenden zu. Letztere waren froh, daß sie die Arbeit wieder geschafft hatten, sie sollen ihre Freude zu „Schiphorst“ getragen haben.

Auch an Bord des »AR« herrschte eitel Freude, die auch der nach und nach einsetzende Regen und einschlafende Wind nicht einschränken konnte. Die Besatzung freute sich auf die schönen Wochen, die ihr bevorstanden an Bord dieser Yacht, die eine der schönsten Deutschlands genannt wird. Der Bootsmann sagte sogar, es wäre gut, daß es regne, denn, wenn es bei Beginn eines Unternehmens regne, fließe dem Unternehmer das Glück in die Schuhe; das hat sich auch auf der ganzen Fahrt bewahrheitet, obwohl es in den ersten Tagen nicht danach aussah. Um 7 Uhr wurde feierlich die erste Mahlzeit an Bord eingenommen. Der Bootsmann übernahm die Wache und die übrige Gesellschaft ging unter Deck.

Der Salon, in dem dieses fürstliche Souper bereit stand, ist der gemütlichste und vornehmste Raum, den ich mir denken kann. Wie einladend sind die beiden breiten bequemen Sofas! Die grünen Wollripsbezüge der beiden Sofas, die grün-seidenen Gardinen hinter den Scheiben der Wandschränkchen, die rohseidenen Vorhänge der Bullaugen, der bunte Teppich und die Kissen stehen zu der Wandbekleidung aus feinstem Cuba-Mahagoni poliert und mit schwarzen Leisten abgesetzt, in einer Harmonie, daß man sich nicht satt daran sehen kann.

Die fünf zu Tisch Gerufenen hatten sich eben in dem breiten, bequemen Hufeisensofa, welches an Steuerbordseite um den Schlingertisch läuft, niedergelassen und fingen an einzuhauen — sie litten nicht an Appetitlosigkeit —, als von oben der Ruf ertönte: „»Ägir« kommt!“ Im Handumdrehen war die gesamte Besatzung an Deck, aber der »Ägir« wer erst ganz in der Ferne als ein weißes Etwas zu sehen und man konnte erst in Gemütsruhe fertig speisen, bevor dieser prächtige ketchgetakelte Hochseekreuzer mit seinem 50 PS-Motor den »AR« einholte. Das Mahl war eben beendet, als auch der »Ägir« schon vorbeirauschte. Es wurden Grüße gewechselt, und bald verschwand er im Dunst des Abends, während der »AR« langsam mit dem Strom trieb, um gegen 9 Uhr vor Bremerhaven neben »Ägir« vor Anker zu gehen.

Nachts um 2 Uhr bei Eintritt der Ebbtide sollte die Reise fortgesetzt werden, wenn das Wetter einigermaßen sei; die Signalstation Bremerhaven hatte den Ball geheißt — atmosphärische Störung —. Um 2 Uhr war auch wirklich ein solches Wetter, daß man ruhig wieder in die Kojen kroch. Der Südwest heulte in der Takelage, und es regnete Bindfäden.

Mit Anbruch des Tages besserte sich das Wetter und nach einem kräftigen Mittagessen wurde um 2 Uhr ankerauf gegangen, und nun ging’s unter Vollzeug bei mäßiger Brise der Nordsee zu. Bremerhaven war bald verschwunden und Hoheweg kam allmählich in Sicht, aber die Brise ließ wieder nach und als der Leuchtturm passiert war, schlief sie plötzlich ganz ein und das Schiff wurde eine Stunde lang auf den Wellen geschaukelt und nur langsam vom Strom vorwärts gebracht. Die Mannschaft ließ sich von der Sonne bescheinen und suchte Wind, der überall und nirgends herkam. Die Schoten wurden gefiert und angeholt und die Segel schlagen von Steuerbord nach Backbord und wieder zurück und klappern entsetzlich. Von Zeit zu Zeit wird doch ein Hauch aus Südost verspürt und bald weht sogar der Stander am Großmast aus. Der Rotesand-Leuchtturm wird nun bald passiert: der Wind legt zu und wird zur steifen Vollzeugbrise. Nun kann der »AR« zeigen, was er kann, dies ist sein Element, und sein Kapitän und Erbauer ist mit ihm zufrieden, ja, seine Erwartungen sind sogar übertroffen. — In der Dämmerung werden die ersten Elbfeuerschiffe gesichtet und die Brise legt immer noch zu; der »AR« muß nun hart an den Wind und die ersten Spritzer kommen über, aber es kommt noch besser: Die Elbe muß aufgekreuzt werden, und zuweilen kommt sogar das Deck zu Wasser. Um 9,30 Uhr ist Cuxhaven erreicht. Ein Ozeanriese geht in See, er bietet ein herrlich-majestätisches Bild. Nun werden auf dem »AR« die Positionslampen angezündet, und das Großsegel muß geborgen werden, denn der Wind wird zum Sturm und das aufzukreuzende Fahrwasser wird eng. Die Nacht war nicht schön und die Besatzung wurde gehörig getauft. Nachdem der »AR« um ein Haar mit einer der großen Spirentonnen kollidiert hätte, ging er um 2 Uhr vor Brunsbüttel zu Anker. Am Freitag, dem 4. Juli, wurde schon um 2 Uhr geweckt und Anker gehievt. Der Wind hatte noch zugelegt, hatte aber nach SW gedreht und jagte das Schiff vor Top und Takel in die Schleuse, daß der Motor es nicht stoppen konnte, und ein allgemeines »Gott sei Dank« wurde gehört, als es glücklich in der Schleuse vertäut war, denn die Elbmündung ist eine windige Ecke. Nun kamen die üblichen Schwierigkeiten, die bei der Berührung mit der Behörde zu entstehen pflegen, auch sie wurden überwunden und der Kapitän bekam sogar die Erlaubnis, durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal segeln zu dürfen. Um 5,30 Uhr öffnete sich das innere Schleusentor und der »AR« dampfte stolz in den Kanal, wo unter einigen Schwierigkeiten und einem kunstvollen Manöver Fock und Besahn gesetzt wurden und nun ging es platt vor dem Wind durch den Kanal, wobei sogar ein Schleppzug überholt wurde. In Holtenau verließ der Passagier, Dr. Bühmann, den »AR« und die Beisegel, die nicht rechtzeitig fertig waren, kamen an Bord. Schon um 2 Uhr ging es nach See zu, wieder vor Fock und Besahn. Die Besatzung saß im Cockpit und sah etwas übernächtigt aus, nur Smutje lag zu Koje und leider stellte sich später heraus, daß er nicht nur seekrank war. — Die Kleider waren von dem frischen Wind und der Sonne, die einen harten Kampf mit den schnell ziehenden Wolken zu kämpfen hatte, wieder getrocknet, und nun wurde ein Plan entworfen. Man wollte bei Dunkelwerden in Svendborgsund vor Anker gehen, am nächsten Morgen das Schiff in Ordnung bringen und dann gegen Mittag vollends nach Svendborg segeln und mit dem blitzblanken Schiff vor Christiansminde wieder ankern. — Ja, Pustekuchen — der Junge hatte wieder nicht unter den Tisch geklopft und so wurde nichts daraus. Der Sturm ließ nach und gegen 5 Uhr wurde das Großsegel gesetzt. Nun ging es wieder eine Zeitlang gut vom Fleck, aber lange dauerte die Freude nicht, der Wind ging bald ganz schlafen, nur die See bleib noch stehen. Nun mußte der Motor sein Bestes tun und er tat es brav, und der »AR« hatte bald Schutz von der dänischen Küste, der er näher kam und schon gegen 8 Uhr kam er in die Enge zwischen Lyö und Arernakö. Das Wasser wurde ganz ruhig und der »AR« machte gute Fahrt, die Segel wurden gefiert und schon für die Nacht festgemacht; — da, ohne sichtbaren Grund, machte die gesamte Besatzung eine leichte Verbeugung in der Richtung der Schiffsbewegung bezw. bisherigen Schiffsbewegung, man hörte ein paar rucksende Laute, der Kapitän drehte krampfhaft am Rad, aber zu spät! Der »AR« sitzt hoch auf ein paar Steinen. Nun gibt es anstatt der wohlverdienten Ruhe harte und ermüdende Arbeit, aber der »AR« sitzt fest und rührt sich nicht, und ein Schlepper muß helfen. Unter Land ist ein Fischer mit seinem Fahrzeug, der wird Rat wissen, der Kapitän rudert hinüber und befragt ihn. Der Fischermann hat das Unglück gesehen und sagt, das Wasser stände ungewöhnlich niedrig und würde über Nacht steigen, der »AR« würde also flott werden. — Nun wurde erst gegessen, der Hunger war übergroß, aber die Aufregung schnürte den Hals, und dann wollte man der Ruhe pflegen, nur einer sollte abwechselnd wachen und alarmieren, wenn der »AR« flott werden sollte. Aber schon während des Essens fing es unter dem Kiel an zu bumsen, und nun wurde nicht eher geruht, bis man vor Fock und Besahn bei wiedererwachender Brise diese unwirtliche Stätte verlassen konnte, um in der Nähe einen geeigneten Ruheplatz zu suchen; und die Kajütuhr war schon wieder nach 2 Uhr, als der Anker sich am Grund festgebissen hatte.

Am nächsten Tage hieß es schon bei Tagesgrauen: »Hiev’ Anker, heiß up de Fock, heiß up de Besahn!« Es wehte wieder recht nett und regnete sachte, die Stimmung war sehr trübe, und eine starke heiße Tasse Kaffee mußte die Lebensgeister der Besatzung wieder auffrischen und den Schlaf ersetzen. Dann wurde auch das Großsegel gesetzt, und es ging flott dem Sund zu mit vielen großen und kleinen Yachten zusammen, die sich dort messen wollten. Gegen 9 Uhr hörte der Regen auf, und bald schien die Sonne vom blauen Himmel, als ob es nie geregnet hätte. Bald kamen Svendborgs Türme und Werftanlagen in Sicht, der Anker wurde klar gemacht, und um 11 Uhr verschwand er vor der Strandpromenade bei Christiansminde im kristallklaren Wasser; aber er blieb im Seegras hängen, und das Schiff trieb langsam über den Sund und drohte am gegenüberliegenden Ufer zu stranden, und auch der kleine Motor hatte Not, es gegen den Wind zu halten. Der Anker mußte wieder gehievt werden und fiel dann auf eine helleuchtende Sandstelle, wo er sich tapfer hielt. — Nun wurde schnell noch etwas Ordnung geschaffen, und sich dann »landfein« gemacht. Die Landfeinheit dauerte leider nicht sehr lange, denn im Sund stand eine starke kabbelige See, und beim Anlandsetzen gab es manche Dusche, und die steifen Kragen wie auch die übrige Landfeinheit bei Damen und Herren war nur noch illusorisch. Das konnte die Gesellschaft aber nicht hindern, wankenden Schrittes zum Christiansminder Kurhaus zu ziehen und sich an Kaffee und Kuchen zu laben. Nach erfolgter Labung, es war nach dem Morgenkaffee die erste Mahlzeit, ging es zum Husumsvey zu Bestemoer und Bestefaer. Nach einer halben Stunde Wegs durch einen herrlichen Buchenwald konnte man das hübsche Häuschen mit seinem gemütliehen Strohdach schon sehen, und siehe da, da kommt Tante Jenny den vier Seefahrern entgegengeradelt. Ihr Gesicht soll nicht übermäßig geistreich gewesen sein, als sie die anrückenden Deutschen gewahrte. Dann war die Freude aber groß, und der Empfang im Hause war rührend. Gepriesen sei die dänische Gastfreiheit im allgemeinen, und im besonderen die des Hauses Rasmussen! Die vier Ruhestörer fühlten sich gleich sehr mollig und heimisch bei den »Besteeltern«, jedoch mußten Kapitän Henry und Steward Pute die Unterhaltung führen, und erst nach einigen Tagen war eine Verständigung mit Smutje Lies und Hans, dem Jungen, möglich.

Leider mußte unser Kapitän uns für zwei Tage verlassen, da er in einem Telegramm aus Lemwerder gebeten wurde, doch für einen Tag dorthin zu kommen, weil irgendetwas Dringendes zu erledigen wäre.

Von dieser Reise erzählte der Kapitän folgende niedliche Geschichte. An der dänischen Zollgrenze angekommen, meinte der Beamte: »Auf diesem Paß werden Sie, glaube ich, nicht nach Deutschland hineinkommen.« Ich war natürlich ganz erstaunt und meinte, das müßte doch komisch zugehen, ich wäre doch auf den Paß herausgekommen. »Ja gut,« meinte der Däne, »versuchen Sie es, ich wollte Ihnen ja auch nur einen Wink geben.«

An der deutschen Grenze angekommen, blätterte der Beamte auffällig lange, und nun kam es, ich könnte auf den Paß nicht rein nach Deutschland; wie das möglich wäre, daß ich mit so einem Paß aus Deutschland rausgekommen sei und noch vieles mehr, ich mußte zurück zu dem deutschen Generalkonsul in Kolding. Ich versuchte nun, auf den Herrn einzureden; ich habe es im guten und auch mit schimpfen versucht, es hat nichts genützt. Ich mußte zurück und, da der Zug nach Kolding erst in so und soviel Stunden kam, mußte ich mich zufrieden geben, da das Toben nichts nützte. Ich setzte mich dann resigniert auf eine Holzbank vor dem Schuppen, denn damals bestand das ganze Zollgebäude aus einem einfachen Schuppen. Wie ich nun so einsam und verlassen da auf der Holzbank saß, muß ich doch wohl Mitleid erregt haben bei dem Zollbeamten, denn mit einem Male kam er auf mich zu und fragte, ob ich nicht irgendwelche Briefe hätte, wodurch ich die Notwendigkeit meiner Reise nachweisen könne. Zufällig hatte ich verschiedene solcher Briefe, und der Herr ließ sich erbarmen und erteilte mir die Erlaubnis zu fahren, aber gerade hatte der Zug sich in Bewegung gesetzt, ich stürzte auf einen offenen Wagen los, wo verschiedene Bahnbeamte standen. Die haben mich beim Schlawittchen gekriegt und rein in den Wagen, die Hauptsache aber war, ich war nun erst weg; alles andere würde sich schon finden.

Zu Hause angekommen, bin ich sofort zur Polizei gegangen und habe denen nun auseinandergepult, wie es mir ergangen war und sie gebeten, mir nun meinen Paß in Ordnung zu bringen. Als ich abends wieder erschien, um den Paß abzuholen, gestattete ich mir nun die Frage, ob ich mich nun darauf verlassen könnte, daß der Paß richtig wäre und daß ich keine Schwierigkeiten hätte. Hierauf wurde ich ganz furchtbar angebrüllt, was ich mir wohl dächte, wenn die Polizei einen Paß ausstellte, dann wäre er selbstverständlich richtig. Für mich war das nun nicht so selbstverständlich, denn ich hatte ja die Erfahrungen nun schon gemacht. Ich zahlte meine RM 5.— oder 10.— und verschwand, um am anderen Morgen die Reise nach Dänemark wieder anzutreten.

Als ich an der deutschen Grenze angelangt war, blätterte der Zollbeamte verdächtig lange in meinem Paß und erklärte mir dann, daß ich auf den Paß nicht raus fahren könnte, worauf ich ihm nun den ganzen Leidensweg erzählte, es half aber alles nichts, ich mußte nach Flensburg zurück fahren, dort würde man mir ohne weiteres den Paß in Ordnung bringen. Es half also nichts, wieder nach Flensburg zurück, das heißt zu Fuß, denn ein Zug fuhr nicht. Es war wahnsinnig heiß, aber, da es von Padborg nach Flensburg bergab geht, so ging es. Gegen 1 Uhr nachts bin ich dann in Flensburg in einem Hotel, Flensburger Hof, eingetroffen. Der Hotelportier hat mich gleich orientiert, das mit dem Paß, das wäre nicht so tragisch zu nehmen, das käme jeden Tag vor.

Ich bin dann am anderen Morgen in aller Frühe zu dieser betreffenden Stelle gegangen, um dort mein Anliegen vorzutragen, worauf mir erklärt wurde, daß der Herr, der dafür zuständig wäre, erst um 9 Uhr käme. Mit meiner Geduld war es nun allmählich zu Ende, und ich erklärte, daß der Herr mich überhaupt nicht interessierte, mich interessierte einzig und allein mein Paß und daß ich denselben innerhalb 10 Minuten in Ordnung haben möchte, worauf der Herr sich erhob und mich zu dem Herrn führte, der erst um 9 Uhr zu sprechen war.

Ich dachte nun, daß ich diesem Herrn eine Erklärung schuldig sei und fing an, ihm die Geschichte zu erzählen, was ihn aber garnicht interessierte, er wollte es auch garnicht wissen, sondern bat mich, Platz zu nehmen, währenddessen nahm er einen großen Stempel und, ohne zu fragen, drückte er denselben in meinen Paß und unterschrieb, daß ich meinen Steuern und sonstigen Verpflichtungen nachgekommen sei und daß gegen meine Ausreise nichts einzuwenden wäre. Dafür bezahlte ich RM 10.—, und ich konnte mich frei bewegen. Der Weg nach Padborg wurde mir diesmal nicht so leicht, denn es ging nun bergan, und es war ein heißer Tag. Einer älteren Frau, die ich unterwegs traf, war dasselbe passiert wie mir; wahrscheinlich handelte es sich um eine Extra-Einnahmequelle des Finanzamtes.

Auf der Grenzstation habe ich ein sehr deutliches Gespräch mit dem Zollbeamten geführt und ihm erklärt, daß ich, wenn ich wieder eine solche Reise machen müßte, mit einem Flugzeug fahren würde. Ich würde ihm dann von oben zuwinken und auch sonst noch was, er blieb aber freundlich; er war eben Diplomat. In Svendborg bin ich aber sonst gut angekommen.

Nun kamen 14 herrliche Ruhetage voll Sonnenschein, in die nur Smutjes Krankheit einen Schatten warf.

Am Sonntag wurde eine kleine Dampferpartie nach Troense unternommen, um von dort die Regatta verfolgen zu können. Die Damen pilgerten noch nach Waldemar Schloß, und man traf sich in einem Restaurationsgarten nahe der Dampferbrücke wieder. Dort war eine unheimliche Volksmenge versammelt, und, wenn die Damen nicht schon frühzeitig einen Tisch belegt hätten, wäre die Aussicht auf eine Sitzgelegenheit sehr gering gewesen. Das Bier mußte aus Flaschen getrunken werden, denn nur einige, vom Schicksal besonders Bevorzugte, bekamen Gläser. Die beiden Dampfer, die ununterbrochen zwischen Svendborg und Troense hin- und herfuhren, wurden förmlich gestürmt. — Plötzlich verdunkelte sich die Sonne und verkroch sich hinter einer Unheil verkündenden Gewitterwolke. Nun brach auch unsere Gesellschaft auf; Bestefaer war vorausgegangen, um Karten zu lösen, aber er ward nicht mehr gesehen und tauchte erst nach einigen Stunden am Husumsvey wieder auf, gerade als man sich zu Tisch setzen wollte. Es war keine Möglichkeit, an den Schalter zu kommen, ein Dampfer nach dem andern kam, füllte sich in wenigen Minuten bis nahe zum Sinken mit Menschen und fuhr ab, ohne daß die Menschenmenge an Land kleiner wurde. — Da öffnete der Himmel seine Schleusen, weit, weit! Jeder Tropfen ging auf die Haut. Nun wurde das Gedränge lebensgefährlich, alles drängte dach der kleinen Wartehalle, unter deren Dach auch unsere Gesellschaft Schutz gesucht hatte. Kam wieder ein Dampfer, wurde wieder zur Brücke gestürmt; Kinder schrien, die Frauen juchten und die Männer fluchten in allen Tonarten. Da kommt wieder ein Dampfer, nun muß es gelingen, sonst verdirbt Beste’s Braten noch ganz. Man erreicht tatsächlich die Brücke, und unter unendlichen Schwierigkeiten das Schiff. Die Dänen sagen: »Der Herr« bezahlt, die Deutschen drücken sich ohne Ausrede durch, und »der Herr« denkt, sie werden wohl auf dem Schiffe kassieren. Als man in Christiansminde ausgestiegen ist — die Himmelsschleusen schließen sich langsam — fragt die Gesellschaft »den Herrn«, ob er bezahlt hat, aber er hat nicht und ein anderer auch nicht, man hat ein maßlos schlechtes Gewissen, denn in Dänemark ist man ehrlich.

Letzteres beweist folgendes Stückchen:
Ein Berliner Herr, der in den Tagen mit seiner Yacht im Svendborger Hafen lag, ließ am Vorabend seiner Abreise sein gutes Marineglas im Restaurant des Christiansminder Kurhotels liegen. Nach einigen Tagen telegrafierte er von Kiel an Kapitän Henry, und diesem wurde dort wirklich das gefundene Glas ausgehändigt; das würde in Deutschland wohl kaum vorkommen, leider!—

Die Gewissensbisse jedoch wurden bald von einem neuen Regenguß weggespült, und man tröstete sich damit, daß noch viele andere auch nicht bezahlt hatten, und daß die Dampfergesellschaft heute doch sehr gut verdient hatte.

Mittags bezw. nachmittags wurde ein Scheunendrescherappetit entwickelt, dann gab’s Kaffee mit »Fløde«, auf dem man tanzen konnte, für Herzleidende verboten, darauf Verdauungsschlaf, gemütliches Beisammensein, dann Christiansminde, Konzert und andere Genüsse, unter denen das Mitmenschenbelästern der schönste war. Nachts Massenquartier bei den »Besteeltern«, da Kapitän und Junge keine Meinung hatten, noch in später Nacht über den Sund an Bord zu rudern. Die Verteilung der »Rollen« entbehrte einer gewissen Romantik nicht, und es hätte passieren können, das Steward Pute, die Inge noch Gesellschaft leistete, beim Aufsuchen ihres Bettes einen Entsetzensschrei ausgestoßen hätte, weil sie es von einem männlichen Wesen besetzt gefunden hatte; elektrisches Licht gibt’s dort nicht, aber Tante Jenny beugt vor und hängt sogar einen Teppich vor die offene Tür.

Am Montag: Lange schlafen, ausgedehntes Kaffeetrinken und darauf gemütlicher Spaziergang durch den Wald zum Sund. Der »AR« liegt ruhig in der klaren Flut, aber wo ist denn das Beiboot? Der Bootsmann ist sicher an Land. Doch nein, eben erschien sein Kopf in der Luke. Wo mag das Boot sein? Der Kapitän holt die Pfeife aus der Tasche, setzt an, holt tief Luft und, »Mensch, Rasmussen, auf Sie haben wir schon lange gewartet,« es pfeift nicht, sondern ein: »Sieh! Guten Morgen Spelling, wie kommen Sie denn hierher?« kommt aus seinem Munde. »Mit 'Herta III' von Kiel, gestern nachmittag hier angekommen, Reiseziel Kopenhagen-Tivoli,« war der Sinn der Antwort des Berliners. Nun wurde doch geflötet, und von drüben kam eine Antwort in nicht mißzuverstehender Zeichensprache: Garling hielt die Bootsfangleine hoch, an der kein Boot mehr hing. Das Boot war fortgetrieben, war aber aufgefangen und der Stadtpolizei übergeben worden, und nach mehreren Stunden Hin- und Herlaufen, Schwierigkeiten-Überwinden und Finderlohn-Bezahlen kam es wieder an seine Fangleine hinter dem Heck des »AR«. Gegen Abend dampfte der »AR« in den Svendborger Hafen und machte am Bollwerk fest. — Das Wetter besserte sich Tag für Tag. Es war eigentlich zu schön, um im Hafen zu liegen. Aber Langeweile gab es nicht. Morgens wurde reingemacht, gescheuert, geputzt und gefegt, und nachmittags gab’s Geselligkeit, hatte Kapitän Henry doch viele Verwandte und Bekannte in der Stadt. Auch die Svendborget »Amtsutstilling« wurde besucht und sich dort amüsiert, und so vergingen die schönen 14 Tage schnell. Leider stellte sich heraus, daß Smutje Lies krankheitshalber abgemustert werden mußte; Kapitän brachte ihn an die Grenze und Steward avancierte.

Da die Erfahrungen, die der Kapitän auf seiner Reise nach Vegesack gemacht hatte, nicht sehr ermutigend waren und, da damit zu rechnen war, daß dieselbe Schwierigkeit bei dieser Reise auftreten würde, so wurde nun erst ein Konsul gesucht, das war aber in Svendborg nicht so einfach, und außerdem konnte dieser auch nicht viel helfen, dafür war nur der Generalkonsul zuständig und der wohnte in Jytland. Der Kapitän schilderte die Reise wie folgt: Wir fuhren also von Svendborg ab über Odense, Middelfart, Strieb, Richtung Kolding. Auf dem Wege nach Kolding befragte ich unseren Schaffner nach dem Generalkonsul, wo der wohnte, worauf dieser sagte: »Ach, Sie haben gewiß Paßschwierigkeiten. Dann steigen Sie aus in Rödekrog und fahren mit der Kleinbahn nach Apenrade, dort setzen Sie sich mit dem Hoteldiener vom Hotel Dagmar in Verbindung, der ist für deutsche Paß-Sachen zuständig und bringt Ihnen alles in Ordnung.« In Apenrade angekommen, fanden wir auch sofort den richtigen Mann, an der Hotelmütze gut zu erkennen. Wir trugen ihm unser Anliegen vor und fragten ihn, ob er uns nun auch wirklich helfen könnte, worauf er uns ziemlich mitleidsvoll anschaute und fragte, zu welchem Zeitpunkt wir unsere Papiere zu empfangen wünschten. Wir verabredeten dann, daß er uns die Papiere 9 Uhr morgens übergeben sollte. Meine Frau und ich versuchten, es uns so gemütlich wie möglich zu machen, aßen nett zu Abend und gingen rechtzeitig zu Bett; so ganz hundert prozentig sicher fühlten wir uns allerdings nicht. Aber siehe, morgens Punkt 9 Uhr erschien unser Freund und hatte alles in bester Ordnung. Auf meine Frage, wieso das möglich wäre, daß er als Däne nun alles so ohne weiteres muddeln könnte, was wir als Deutsche nicht mal fertig bekämen, lächelte er ganz verschmitzt und präsentierte uns seine Rechnung.

Ich habe meine Frau nun verladen, aber so ganz wohl war mir doch nicht bei dem Gedanken, es könnten sich doch noch Schwierigkeiten ergeben, aber es ist tatsächlich alles klar gegangen und meine Frau hat unterwegs keinerlei Schwierigkeiten gehabt.

Am Donnerstag, dem 17. Juli, abends kam Kapitän wieder und ging dann mit Steward a.D. und Smutje in spe und Junge zu den Besteeltern, um Abschied zu nehmen. Es war wohl zum dritten Male. Als die drei spät an Bord kamen, war das Schiff schon klar, die Bezüge waren von den Segeln, und alles war seefest; Bootsmann hatte das Im-Hafen-Liegen satt.

Am Freitag morgen, jawohl am Freitag — die Strafe folgte aber auch —, in Svendborg schlug es eben 4 Uhr, wurden die Leinen losgeworfen, und der »AR« ging mit Motorkraft aus dem Hafen; das Wasser war spiegelglatt und kein Hauch regte sich. Sieh’ da, auf der Christiansminder Brücke wird gewunken: Es sind Bestefaer und Tante Jenny; der »AR« dreht bei und fährt nahe an der Brücke vorbei, das war der letzte Gruß. — Um 6 Uhr ist der Ausgang des Sund erreicht und die Segel werden gesetzt. Mit langsam zunehmender Brise aus NW kommt bald Langelands Küste in Sicht, und an dieser entlang geht es nordwärts. Lohals ist kaum zu sehen, die Luft wird diesig und es fängt an zu regnen. Nun wird der Kurs abgesteckt auf Omö. Bei der Fahrt an Langelands Küste entlang hatte der Kapitän festgestellt, daß die Kompensation des Kompasses nicht ganz stimmte, und nun mußte erst umgerechnet werden. Es ist ein etwas beunruhigendes Gefühl, wenn man weiß, daß der Kompaß, neben dem Log das einzige nautische Instrument an Bord, nicht ganz zuverlässig ist.

Das Log zeigte schon so und so viel Seemeilen an. Der »AR« mußte also schon auf der Höhe von Omö sein, aber es war nichts zu sehen. Es vergehen noch Stunden. Da greift der Bootsmann zum Glase, sein geübtes Falkenauge hat etwas entdeckt: »Eine Pricke,« sagt er ruhig. Und richtig, bald kann man sie mit bloßem Auge erkennen; an BB.-Seite taucht auch eine auf. Nun wird die Karte eingehend studiert, die Topp-Zeichen stimmen zwar nicht ganz, aber sie können auch verändert worden sein; aber das Log schwindelt, nach dessen Aussage müßte der »AR« schon an Agersö vorbei sein und bald Seeland in Sicht kommen. — »Rechts voraus ist Land!« »Das ist Agersö!« Wieder die Karte. »Ja, das muß stimmen.« »Na, dann woll’n wir man mal!« »Klar zum wenden! — ree — « BB.-Backstag fest, StB. los, einen Augenblick fahren die Blöcke auf dem Leitwagen mit großem Geklapper hin und her, die Segel flattern im Winde. Dann gibt es einen sanften Ruck, das Schiff legt sich auf Stb.-Bug und gleitet in die Enge zwischen den beiden Inseln hinein. Das Land, nunmehr an BB., will gar nicht verschwinden. Eine Huk nach der anderen taucht auf. »Das ist nicht Agersö,« meint der Kapitän, der Bootsmann glaubt das auch nicht, und nach eingehendem Kartenstudium wird festgestellt, daß man unter Seelands Küste ist und die Seezeichen stimmen dazu. »Da draußen muß Strom laufen, der uns so versetzt hat.« Ja, anders wäre das nicht möglich. »Na, die Hauptsache ist, daß wir ein Loch gefunden haben.« Diese Unterhaltung wird durch den Smutje unterbrochen, der kam mit lecker belegten Broten aus dem Niedergang und hatte sogar Kaffee gekocht. Der Junge eilte zu Hilfe, und nun balanzierten die beiden mit Kaffeetopf, Tassen und Brot. Bevor Kaffee eingeschenkt wurde, mußte erst das Regenwasser wieder ausgekippt werden, und das Brot brauchte man auch nicht zu kauen, es war nicht umsonst Freitag.

Als wieder ein Schlag nach Land zu gemacht wurde, traf man auf Knudshoved. Es wurde beschlossen, früh Feierabend zu machen, es näßte auch allmählich auf die Haut. Darum wurden kurze Schläge an der Landzunge entlang gemacht, dann eine Bucht angesteuert: »Fier weg dat Grotseil,« ertönte das Kommando, ein surrender rutschender Laut, das nasse und schwere Großsegel rutschte gut. Der Bootsmann meldete: »Anker klar zum Fallen.« Dann schwang der das Lot ...., 12, 10, 7 und 5 m, der »AR« schießt in den Wind, der Junge fiert die Fock, plumps ist der Anker verschwunden und die Kette rasselt; sie wird gestoppt, die Kette strammt und der »AR« liegt wieder vor Anker.

Smutje ist schon verschwunden und die Gegend riecht nach Brikettqualm, der dem Kombüsenschornstein entströmt. Schnell werden die Segel festgemacht und Deck aufgeräumt, dann laß es man regnen. Nach dem Abendessen und Tee geht’s bald zur Koje. Der Herd wird noch mit einigen Briketts gespeist und erhält Befehl, dafür über Nacht die Kleider zu trocknen.

»Reise, Reise!« — Hoaoo — oaaa — ist die Nacht verflogen. »Was ist denn für Wetter, und fällt das Barometer noch?« Es war 5 Uhr, als der Bootsmann weckte. »Das Barometer ist noch ein wenig gefallen, aber das Wetter sieht ganz gut aus, es ist fast kein Wind.« — Es vergehen nur Minuten, bis das Klapp-Klapp des Ankerspills ertönt, Fock, Besan und Großsegel gleiten nacheinander schnell an den Masten empor und der »AR« schiebt sich langsam um die Huk, da liegt eine Tjalk, die am Vorabend ankerauf ging, aber sie hat sich anscheinend bekehrt. Masnedö wird langsam passiert, die Eisenbahnfähre dampft gerade auf Vordingborg zu, es ist eine komische und zweifelhafte Morgenstimmung. Als wir Masnedö achteraus peilten, wurde die Luft unruhig und leicht böig. »Sieh doch bloß mal den Dreimastschoner, der lag doch nicht so schief, als wir aneinander vorbeisegelten?« meint plötzlich der Junge. Der Bootsmann sieht sich um, und als er meint: »Der hat eine Bö,« kommt es auch schon schwarz übers Wasser geflogen, der Kapitän wird bei seiner Morgentoilette gestört, er sitzt kaum am Ruder, da ist das Wetter auch schon mit Sturm und Platzregen da und das Großsegel kann nur mit Mühe und Not geborgen werden, und hinter Stubbeköbing ging der »AR« vor Anker in einer stillen Bucht. Smutje, der beim Geschirraufwaschen war, hatte gar nicht gemerkt, daß der »AR« am Anker lag und war ein wenig erstaunt, daß er bei diesem Wetter allein segeln sollte, und daß die Männer, einer nach dem andern, triefend — mit dem besten Willen wäre an ihnen kein trockener Faden zu entdecken gewesen — durch die vordere Luke in die Küche kamen. Nun kamen zwei unfreiwillige Ruhetage, an denen der Sturm unheimlich in den Wanten heulte. Sonnabend und Sonntag wurden ausgefüllt mit gut Essen und Trinken, Schlafen, Zeug« trocknen, Dorschepilken, Lesen, Briefeschreiben und mit gemütlichen Plauderstunden.

Am Montag war das herrlichste Wetter, nur schlief die flaue Brise im Laufe des Tages ganz ein. Um 7 Uhr ging es ankerauf und durch den Grön-Sund. Moen zeigte sich in schönem Lichte mit seinen anmutigen grünen Wiesen, den sauberen weißen Häuschen mit den roten Dächern. Die hohen steil ins Meer abfallenden Kreidefelsen von Moens Klind konnte man noch bis zum Abend sehen, obgleich der »AR« sich den ganzen Nachmittag mit Motorkraft fortbewegte. Vormittags wurde großes Putzen und Reinemachen angesetzt und nachmittags wurde sich in der warmen Sonne »geaalt«, der Junge saß am Ruder und der Bootsmann schlief für die Nachtwache, die erste auf der Reise. — Abends tauchten die Feuer von Ystad auf und der Schiffsverkehr wurde reger, die Nacht war herrlich, Bootsmann und Junge saßen an Deck, es war so ruhig, daß man weithin die Kolbenstöße eines Dampfers hören konnte und dann wieder das »Puff-puff« eines Motors. Von 2—4 Uhr ging der Bootsmann allein auf Wache, von 4—6 Uhr der Kapitän, dann mußte der Junge wieder aufstehen, so ungefähr war immer die Einteilung der Nacht. Das Wachen die Nächte über war kein Opfer, denn sie waren viel zu schön, um sie zu verschlafen. Diese Nacht, so schön sie auch war, wurde nutzlos gewacht, denn der »AR« trieb in den sieben Nachtstunden drei Seemeilen vorwärts, wurde aber auch viel zu weit südwärts getrieben.

Ein wundervoller frischer Morgen brach an, die Tautropfen auf dem Lack des Kajütaufbaudaches schillerten in der Sonne und eine leichte Brise stand aus Ost und gewann langsam an Kraft. An diesem Morgen war in der Gegend ein Verkehr wie in einer Großstadt. Es wimmelte von Schiffen aller Art, alle auf Gegenkurs, teilweise mit Holz beladen. Darunter waren sehr hübsche Segler, Schoner mit vollgetakeltem Fockmast und schönen Formen. — Nun wurde ein Schlag nach Land zu gemacht, um 10 Uhr war die Huk von Sandhammar erreicht, und nun wurde des widrigen Windes wegen beschlossen, einen langen Schlag nach Bornholm zu machen, um von dort nach Karlskrona zu steuern. Das war wieder einmal sehr schön ausgedacht; aber »erstens kommt es zweitens anders, als man drittens denkt.« Diesmal hatte Smutje die Schuld. Er kochte zu Mittag Makkaroni, und wenn er die kocht, gibt es immer »scheeben Wind«. Das Barometer fiel, und es fing an zu blasen. Letzteres war der »AR« «Besatzung nicht unlieb, außer Smutje natürlich, denn die Makkaroni wollten aus dem Topf. Bornholm kam in Sicht und wurde unter diesen Umständen schnell erreicht. Da der Wind sich noch steigerte und das Barometer weiter fiel, wurde beschlossen, für die Nacht einen Bornholmer Hafen anzulaufen. Nun wurden erst mit großem Appetit und unter noch größeren Schwierigkeiten an Deck die Makkaroni mit grünem Käse verspeist. Die Schwierigkeit bestand darin, daß man den Teller nicht aus der Hand lassen durfte, sonst rutschten die Makkaroni ins Cockpit, den geriebenen Käse mußte man 30 cm zu Luv der Teller streuen, dann wehte er ungefähr darauf, wenn der Wind ihn dann nicht noch wieder vom Teller wehte. Nach dem Mahl wurde sofort das Großsegel geborgen, und nun ging es gemütlich an Bornholms Küste entlang nordwärts bis zu der alten mächtigen Ruine Hammershus, die über einer Höhle liegt, in die man mit einem Boot hineinfahren kann. Der Blick auf die Insel war berauschend schön, das klare blaugrüne Meer, die weiße Brandung an den rotbraunen Felsen, die stellenweise mit Busch bewachsen sind, und darüber die grünen Matten der fruchtbaren Insel mit ihren sauberen Gehöften. An den Felshängen kletterten auf schmalen Pfaden in buntem Durcheinander — nicht etwa die Ziegen und Kuhherden der Bornholmer — sondern ihre Sommergäste, Männlein und Weiblein, freuten sich ihres Lebens und des Sonnenscheins und betrachteten die Yacht, die zu ihren Füßen dahinglitt.

An der Huk von Hammershus wurde beigedreht, und ein Hafen gesucht. Zuerst wollte man nach Hasle. Der Hafen lag aber etwas frei. Die Tiefe des Wassers hätte gerade genügt, aber im letzten Augenblick entschied man sich doch für Rönne, weil man dort eher Besorgunggen machen konnte: Benzin, Feuerung und Proviant. Die Hafeneinfahrt war nicht einfach und erforderte bei der steifen Brise schwierige Manöver. Im Rönner Hafen lag noch ein Berliner 75er, der auf günstigen Wind wartete. Der »AR« hatte noch kaum die Leinen fest, als auch schon der Zollbeamte kam und revidierte. Bootsmann und Junge durften nicht an Land, weil sie keine Pässe hatten, es hatte aber keiner etwas dagegen, daß sie auf der Insel spazieren gingen. — Abends kam der Besitzer des 75ers, Dr. Rakenius, mit seinen beiden Söhnen zu einem gemütlichen Plauderstündchen und einem Glas Grog an Bord.

Am Mittwoch regnete es den ganzen Tag mit Unterbrechungen, in denen eingekauft und die Stadt besichtigt wurde. Nachmittags mußte der »AR« in den inneren Hafen verholen, weil ein Dampfer kommen sollte. Gegen Abend fing es an, in den Wanten und Masten zu heulen, und die »AR«-Besatzung gratulierte sich, daß ihr Fahrzeug im sicheren Hafen lag; die Berliner waren auch recht froh, daß sie den Abend wieder in der gemütlichen Kajüte des »AR« verbringen konnten; sie pumpten dem Kapitän dafür eine Karte von den Stockholmer Schären, die ihm fehlte. Als man sich abends trennte, war das Brausen der Brandung und das Heulen des Sturmes ohrenbetäubend geworden. Selten war es in den Kojen so mollig wie in dieser Nacht. — Am nächsten Morgen wurde früh ein Spaziergang zur Mole unternommen, der Sturm war eingeschlafen, und es wehte eine schöne Segelbrise aus W. Die Brandung dagegen toste noch mit ungeheurer Kraft, spritzte hoch über die Mauer auf die Straße und ging von Zeit zu Zeit über den Außenmolenkopf mit seinem Feuer weg. Nach dem Frühstück ging es wieder an die Mole, die Brandung ließ schnell nach, und dann wurde ein Spaziergang unternommen am Strand entlang; der Himmel sah aus, als ob es nie gestürmt und geregnet hätte, das Meer gurgelte friedlich noch überall mit weißen Häubchen bedeckt und schob sich über die blanken Kieselsteine bis auf den Weg und unvorsichtigen jungen Mädchen in die Schuhe. Es wäre eine Stimmung gewesen, um sich stundenlang in den Sand zu legen und zu träumen. Dazu war leider keine Zeit, und so führte der Weg bald vom Wasser ab auf die Insel und durch die Stadt zum Hafen zurück. Der Bootsmann hatte schon klar Schiff gemacht, es wurde schnell gegessen, alles seefest verstaut und sich in Kluft geschmissen. Um 12,30 Uhr wurden die Leinen losgeworfen, und es ging mit Motorkraft aus dem Hafen. Die Berliner waren schon etwas früher in See gegangen, und von ihnen war nur noch ein Segel zu sehen. So wie der »AR« frei war, wurden Segel gesetzt, und der Motor abgestellt. Die See war doch noch sehr unruhig, und bei der leichten Brise wurde man heftig geschaukelt. Noch einmal zog das wunderbare Panorama von Bornholm vorüber, und in der Dämmerung zeigte die Insel auch noch ihren grünen Nordhang mit Sandring. Nun kam die zweite Nacht auf See, die Brise legte gegen Abend etwas zu, ließ aber nachts wieder nach. Auch diese Nacht war wieder herrlich und viel zu schade zum Schlafen.

Am Donnerstag, dem 24. Juli, [ ??? DO = Abfahrt, dann Nachtfahrt also FR ] brach ein herrlicher Sonnentag an mit leider nur flauer Brise, und Öhland wollte nicht aufkommen, aber schließlich wurde der Turm von Öhlands Södra Udde doch durch das Glas sichtbar, und um 8,30 Uhr war er querab, und auch Utgrunden wurde bald erreicht, der Strom half wohl etwas nach, denn der Wind war sicher nicht Schuld daran. Der Sund war spiegelblank und die Sonne meinte es beinahe zu gut; die »AR«-Besatzung entledigte sich aller entbehrlichen Kleidungsstücke, und der Kapitän ließ die Beine ins Wasser hängen. So trieb der »AR« gemächlich von S. Möckely bis Mörbilanga. Smutje stöhnte über dem Kochpott, und zuweilen erschien er im Niedergang, um sich in der Sonnenglut abzukühlen. »Wenn das so weitergeht, kommen wir heute nicht mehr nach Kalmar,« meinte der Bootsmann. Er hatte Recht, der Motor mußte helfen — schade —, aber man hat ein Ziel und nicht viel Zeit, darum muß es sein. Der Anlasser surrt, der Motor jedoch läßt sich nichts merken, »er muß erst ’n lütjen haben,« aber auch der Schnaps aus der Benzinspritze rührt ihn wenig, er springt an, bleibt aber sogleich wieder stehen. Erst nach langem Hin- und Herprobieren besann er sich wieder auf seine Pflichten. Nun lief der »AR« in dem ruhigen Wasser gute Fahrt, und bald kam die schwierige Kalmaer Enge. Um 3,20 Uhr wurde die alte Stadt mit ihrer Burg passiert, ein großer Dampfer wurde gerade in den Hafen geschleppt, und in der Enge war es nicht ganz leicht, ihn zu passieren. Es hatte sich eine leichte W-Brise durchgesetzt, die den »AR« etwas krängte. Da der Dampfer in Lee passiert werden mußte, wippte die Yacht wie ein Stehaufmännchen, worüber sich die Leute auf dem Dampfer sehr amüsierten. Nun wurde der Motor abgestellt, die Brise legte etwas zu, und bald war die Glockentonne am Ende der engen Straße erreicht. Nun ging’s raumschots mit einem Rahschoner zusammen gen Norden bis nach Borgholm, dort war’s wieder gänzlich vorbei mit dem Wind, und man konnte den herrlichen Blick auf Borgholm mit seiner mächtigen Ruine genießen. Die wieder eingetretene Windstille ließ die Mannschaft die ruhige Abendstimmung und den herrlichen Blick ganz genießen, keiner konnte sich entschließen, den Motor anzuwerfen, und so trieb der »AR« einige Stunden vor Borgholm herum. Als es dunkler wurde, hatte der Windgott doch ein Einsehen und fing an, aus vollen Backen zu blasen, und der »AR« sauste mit Deck zu Wasser dahin, daß es eine Freude war; für den Kalmarsund mit seinen Klippen und Untiefen war die Geschwindigkeit beinahe etwas groß. Bei Dämman wurde Kurs abgesteckt NzO, so kam man von der Jungfrun, dem 89 m hohen Felsen mitten im Sund frei und konnte laufen, bis man den weißen Blitz von Soen bekam, dann konnte man abfallen, um des Nachts nicht mit den Schären in Kollision zu kommen. Kapitän und Smutje lagen zu Koje, der Junge saß am Ruder und der Bootsmann navigierte, beide guckten sich die Augen aus nach den Feuern. Der »AR« hatte es immer eiliger. (Ein Mann zum Schaum abwischen), das Log zeigte jede Stunde 8—9 Meilen. »In See ist ein Feuer!« »Ja Blitz.« Der Bootsmann steigt in die Kajüte, wo die Karten auf den Tisch liegen. Endlich nach langer Zeit kommt er wieder, der Junge atmet auf, es war unheimlich an Deck mit der sausenden und heulenden Takelage. »In See voraus kommt noch ein Feuer auf,« berichtet er. Der Bootsmann flucht höchst unchristlich über schlechte Karten, schlechte und heimlich veränderte Befeuerung, zu viel Wind usw. »Es kann gar nicht anders sein,« meint er, «die Jungfrun ist auch befeuert, das Blitzfeuer dort ist Hornudde, und das Feuer, das dort auf kommt, ist die Jungfrun; wir müssen zu luvart bald Furö sehen.« Nun wurde nach Furö gesucht, daß die Augen schmerzten, der weiße Blitz mußte längst zu sehen sein. »Ver....! Wir sitzen hier ja unter Land. Sieh doch dort, man kann fast hinlangen. Fier die Schoten, und erst einmal vor dem Wind von Land weg!« In dem Augenblick wollte zweien das Herz stehen bleiben, und der »AR« sauste mit unverminderter Geschwindigkeit davon. »Gut, daß das Wasser überall tief ist, wenn wir nur keine nähere Bekanntschaft mit der Jungfrun machen, das könnte uns schlecht bekommen.« Als der Bootsmann nach einiger Zeit — er hatte wieder Karten und Handbücher gewälzt — wieder an Deck kam, wartete bereits eine neue Schreckensnachricht auf ihn: Rechts voraus und Steuerbord voraus ist wieder Land, und es dauerte auch nicht mehr lange, da verschwand das erste Feuer wieder, das zweite entdeckte war schon lange wieder verschwunden. »Nun aber schnell beigedreht, und wenn es nicht anders geht, müssen wir nach Dämman zurück und einen neuen Vorstoß versuchen.« Soweit kam es glücklicherweise nicht. Ein weißes und ein rotes Licht darunter erschienen, und man vernahm bald das bekannte puff-puff-puff, und zwar war dieser Motorsegler dort, wo der »AR« gerade geflohen war. Nun löste sich die peinliche Situation, und der Schreck löste sich. Das Land, vor dem man ausgekniffen war, war die Jungfrau selbst. Der »AR« hatte sie anstatt an StB. an BB. bekommen, und das vermeintliche Feuer dieser schreckenerregenden Jungfrau war schon das von Tokenäs. Man hatte also den Felsen schon lange und in großer Entfernung passiert, als man das Hasenpanier ergriff. Die Sache war also nicht so schlimm, wie sie aussah, nur ein paar kostbare Stunden mit guter Brise waren verloren. Letztere schlief langsam wieder ein. Um 1,35 Uhr nachts kam der »AR« in den roten Blitz von Furö und passierte somit die Riesenjungfrau. Als Ruhe und Ordnung wieder hergestellt waren, kroch auch der Junge in die Koje, und der Bootsmann wachte noch zwei Stunden allein, um dann vom Kapitän abgelöst zu werden, der dann gegen 6 Uhr den Jungen wieder durch einen Scherz weckte, indem er ihm einen Mund voll Rauch ins Gesicht blies.

Der 26. Juli war wieder ein herrlicher Sommertag, die Luft zitterte ordentlich vor Hitze, und es lag dunstig über Schwedens Küste. Um 6,45 Uhr wurde Westerwiek querab gepeilt und der Kurs auf NzO abgesteckt. Der »AR« hatte seine Eile von der Nacht zuvor ganz vergessen, das Log hing nach unten und drehte sich bei Gelegenheit einmal. Um 8,45 Uhr peilte man Storkläppen, um 11 Uhr wurde abgefallen auf NOzN, d. h. abfallen kann man wohl kaum sagen, denn es regte sich kein Lüftchen, und die Mannschaft ging ihrer häuslichen Arbeit nach, es roch nach Briketts, Smutje ließ die Beine über Bord hängen und schälte Kartoffeln und der Junge pilkte eine Mahlzeit Dorsche, leider mit negativem Erfolg: der Kapitän suchte nach zu beanstandenden Punkten und schrieb der Firma einen groben Brief. Das Ruder war unbemannt, der Junge sah ab und zu danach, der Bootsmann erschien erst nach und nach wieder. Nach dem Diner wurde um 2,50 Uhr der Motor angeworfen und lief bis abends um 9,30 Uhr. Nach dem Besteck, in das ein von Land versetzender Strom während der Flautentreiberei einberechnet war, mußte unbedingt das Feuer von Landsort in Sicht sein. Der Bootsmann verlegte seinen Ausguck auf die Großmastsaling, aber auch das nützte nichts. Nun wurde ein kleiner Schlag nach Land zu gemacht, und da der aufgekommene Hauch wieder versagte, mußte der Motor wieder helfen bis morgens um 4,30 Uhr. Der Bootsmann übernahm die Nachtwache allein.

Als am Sonntag, dem 27. Juli um 5,30 Uhr geweckt wurde, hieß es »Hufrudskär voraus.« Nun wurde auch festgestellt, daß der »AR« sich sehr viel zu weit in See herumgetrieben hatte; daß der laufende Motor den Kompaß sehr beeinflußte, wurde leider erst auf dem Rückwege ungefähr an der gleichen Stelle festgestellt. Nun wurde das Schiff für die Ankunft in Sandhamn vorbereitet, Deck gewaschen, Lack abgeledert und Messing geputzt. Auch innen wurde es sonntäglich gemacht. — Um 6 Uhr wurde bei Hufrudskär Kurs ONO 1/4 N genommen, um Feuerschiff Almargrundet zu treffen. Da aber die leichte Brise immer mehr schralte und gegen 8 Uhr aus NO kam, mußte gekreuzt werden, und so wurde mit zwei großen Schlägen Almargrund um 2 Uhr erreicht. Da der Wind sich wieder zur Ruhe begab und es für Unbekannte nicht ratsam ist, nachts in den Schären herumzuschippern, mußte der Motor wieder helfen, und nun konnte man auf den Turm von Grönskär zuhalten, um bei der Heultonne in das Sandhamnfahrwasser einzubiegen. Nun wurden die Ankertrosse und Festmacheleinen klar gemacht und die Segel geborgen und mit Ueberzügen versehen, sodaß der »AR« um 6 Uhr bei Sandhamn ankern und die Mannschaft sogleich Sonntag feiern konnte. Da die Insel Sandhamn nach der Seite, wo das Klubhaus der »K.S.S.S.« steht, ganz steil bis auf 80 m Tiefe abfällt, kann man auch mit großen Yachten ganz an Land kommen. An der Promenade liegen märchenhaft große Anker von alten Fregatten zum Festmachen. Zwischen einem solchen und dem eigenen Anker lag der »AR«, und mit dem Beiboot wurde eine Fährverbindung mit der Insel hergestellt. (Verkehr nach Bedarf). In Sandhamn war ein lustiges Treiben: zwei Dampfer hatten Ausflügler aus Stockholm gebracht, auch lagen mehrere Yachten und Motorboote dort. Am Strand war ein Karussell, dessen Orgel bekannte und unbekannte Schlager dudelte, auch einige Buden waren aufgeschlagen, und unter Bäumen war ein sechseckiger Tanzplatz aufgeschlagen, und, als das Karussel verstummte, erschien ein Handharmonikaspieler und spielte liebliche Tanzweisen die ganze herrliche nordische Sommernacht hindurch. Die »AR«-Besatzung saß unter dem Sonnenzelt im Cockpit bei einem Glas Grog und hörte und sah dem Treiben an Land zu. Als sie gegen 2 Uhr die Kojen aufsuchte, wurde sie noch von der Harmonika in den Schlaf gespielt.

Montag und Dienstag war Generalreinigung an Bord, die Außenbordfarbe wurde abgeseift und ausgebessert, auch Schandeck und Fisch bekamen einen neuen Schlag Lack, und als am Dienstag abend die Regattasegler tropfenweise ankamen, blitzte und blinkte der »AR«. Am Mittwoch gab es schon mancherlei Besuch an Bord, die Herren der deutschen 30er kamen auch. Auch die Herren eines Danziger 75ers kamen und besahen den »AR« begeistert, auch Schweden kamen. Es waren herrliche acht Tage, die man in Sandhamn verlebte, die Sonne schien einen Tag wie den anderen, die Regattasegler werden allerdings wohl kaum mit dem Wetter zufrieden gewesen sein, denn sie mußten sich während der Rennen hauptsächlich damit beschäftigen, Wind zu suchen. — Die Tagesordnung der »AR«-Besatzung war im allgemeinen folgende: Nachdem die häuslichen Arbeiten verrichtet waren, ging es mit dem Beiboot, mit Proviant und Badezeug bewaffnet, zur Startstelle auf eine der Felseninseln. Wenn dann die verschiedenen Klassen gestartet waren
— man interessierte sich natürlich besonders für die 30-qm-Schärenkreuzer und unter diesen für »Pan« — es war um 1—1½ Uhr, wurde ordentlich gefrühstückt und der Ruhe gepflegt; später folgte eine kleine Schwimmreise zu der nächsten Insel. Die Bäder in dem herrlich klaren und kühlen Wasser waren immer das Schönste dieser Tage. Auf einem glatten warmen Felsen oder im Sand des Strandes wurde ein Sonnenbad genommen, dann kam die Rückreise durchs Wasser. Gegen 5 Uhr kehrten auch die Renner zurück, und man konnte das Durchszielgehen verfolgen. Abends saß man bis in die Nacht hinein an Deck, sah dem Treiben am Strand zu und genoß die Herrlichkeit der nordischen Nächte. — Ein unvergeßlicher Anblick für alle, die ihn genossen haben, war auch, als am Freitag nachmittag die ca. 80 Yachten, die vor Sandhamn lagen, über die Toppen geflaggt hatten. Das Gewirr der krummen Masten der rassigen Fahrzeuge, die kreuz und quer vor dem idyllisch gelegenen Klubhause der »K.S.S.S.« und am Strand vor Felsen und Wald lagen, mit den unzähligen bunten Fähnchen geschmückt, bot ein schönes buntes Bild, das von den Wanten wie von feinem Spinngewebe durchwirkt war.

Am Montag, dem 4. August, wurde ankerauf gegangen und Sandhamn lebewohl gesagt. Die Regatta- Segler waren schon um 7 Uhr gestartet zu einer Fernfahrt nach Nynäshamn, während der »AR« um 7,15 Uhr in See ging und gegen den Wind andampfte, bis er bei der Heultonne Kurs auf Hufrudskär nehmen konnte. Eine auffrischende Brise aus SO, die leider heftige Regenböen mit sich brachte, brachte das Schiff in guter Fahrt nach Hufrudskär; zuweilen konnte man in den Schären die weißen Segel des Regattafeldes sehen. — Um 12 Uhr wurde auf SW¼S gegangen, um so in den Kalmarsund zu kommen, was am nächsten Morgen hätte geschehen können, wenn es nicht anders gekommen wäre, als man gerechnet hatte und es hätte gebrauchen können. Es kam nämlich so: Hufrudskär segelte beinahe ebenso schnell wie der »AR«. Die Luft wurde immer schwerer und dichter, und von Wind war in kurzer Zeit nichts mehr zu verspüren, dafür regnete es aber Bindfäden. Eine Garnitur Zeug und Wäsche hing schon im Schiff zum trocknen, und als es gegen Abend aufhörte zu regnen, folgte die zweite. Um 6 Uhr klarte es auf, und der Turm von Landsort kam in Sicht, bald rückte er aber wieder in die Ferne, ohne achteraus zu kommen. Nun mußte der Motor wieder helfen, bis um 10 Uhr eine leichte Nachtbrise einsetzte. Obwohl das Barometer stark fiel, klarte es langsam weiter auf.

Am Dienstag, dem 5. August, bekam der »AR« eine grobe See, deren Ursprung man sich nicht recht erklären konnte, denn es war SW-Wind, also überlandig. Da, gegen ¼ nach 8 Uhr löste sich das Rätsel langsam: BB. voraus kam Land durch. Was in aller Welt konnte das für Land sein? Wenn es Öland wäre, müßte auch auf StB. Land zu sehen sein. Sollte es wohl gar Gotland sein? Tatsächlich, der »AR« trieb vor Visby herum, von Wind war einmal wieder keine Spur, und wenn wirklich eine leichte Böe kam, kam jede aus einer anderen Ecke, das war bei dem fallenden Barometer etwas unheimlich. Nun wurde erst beraten, wie man so weit abgetrieben sein konnte und was nun zu tun sei. Dabei stellte es sich bei einem Versuch heraus, daß der Motor die Schuld hatte, und daß er auch die Irrfahrt auf der Hinreise auf dem Gewissen hatte. Nun wurde darüber verhandelt, ob man in den Hafen von Visby gehen und die Schönheiten der Stadt besehen sollte, denn ein gegen-die-See-andampfen würde wenig Zweck haben, und nach dieser Stille würde ein Unwetter losbrechen, das war klar. Die Böen aber wurden häufiger und stärker, und da die Urlaubszeit zu Ende ging, konnte man sich keinen Besuch in Visby leisten. Die Böen nahmen immer mehr zu, und schließlich zwischen 1 und 2 Uhr setzte sich eine steife Brise aus SSW durch. Das war etwas für den »AR« und seine Besatzung. Um 2 Uhr wurde vor Nyrefsudde, die Huk war gerade durchs Glas sichtbar, über Stag gegangen, und das brave Schiff brauste davon mit Kurs auf Ölands Norra Udde, welches schon um 6,30 Uhr querab lag. Nun hätte der Wind seine Richtung einmal wieder ändern dürfen, aber er tat es nicht, und so ging es wieder ans Kreuzen, und es wurde im hohen Rat beschlossen, für die Nacht vor Anker zu gehen. In kurzen Schlägen ging es nun an Ölands Küste entlang bis nach Sandwiken. Beim Überstaggehen wurde das Großsegel an Deck genommen, und dann lotete man sich in eine kleine Bucht, wo man noch eben überlandigen Wind hatte; um 7 Uhr hatte der Anker gefaßt, das Deck war schnell aufgeklart, und nach einem zünftigen Abendessen ging es um 9 Uhr zur Koje. Der Sturm — so weit war es schon gekommen — pfiff seine schönsten Lieder und heulte unheimlich in der Takelage. Die Ankerkette stand so stramm, daß man darauf hätte Seil tanzen können. Zuerst sollte Wache gegangen werden, denn der Wind drehte westlicher, aber schließlich verließ man sich auf den leichten Schlaf des Bootsmannes, und sein Schlaf erwies sich als leise genug. Gegen 12 Uhr schlug der Bootsmann denn auch wirklich Alarm. Der Sturm hatte noch zugelegt und kam aus SW. Der »AR« rückte an der Kette, daß der ganze Schiffskörper bebte und es einem kalt über den Rücken lief: riß die Kette, so trieb das Schiff im Handumdrehen an Land und war ein Wrack, und es gab unter Umständen Tote. Hier liegen bleiben konnte man nicht, aber würde es auch gelingen fortzukommen? Der kleine Motor konnte bei diesem Sturm nicht helfen, das Segelmanöver mußte es also schaffen. Nun wurden Fock und Besan klar gemacht, die Kurbeln in die Winden gesteckt, und dann ging es ans Ankerspill. »Wie gut, daß wir ein ordentliches Spill haben und kein Spielding«, meinte der Kapitän. »Hiev up,« das kostete Schweiß, 50 m Kette waren draußen, und der Sturm riß in der Takelage. Doch es dauerte nicht lange, da stand die Kette »Auf und nieder,« nun das Ruder hart StB. und hoch mit der Fock, dann gilt’s, den Anker heraus — er sitzt fest, gibt dann aber mit einem Ruck nach — und nun heißt es gedreht aus voller Kraft, daß er schnell hochkommt, und dann blitzschnell die Fock gegen den Wind gedrückt. Eine Sekunde lang ist der »AR« noch unschlüssig, ob er parieren soll oder nicht, dann fällt er nach StB. ab. Gott sei Dank! »Nun rup mit dem Besan und dann nach Norden, vor Nörra Udde wird es besser sein!« Der Anker wird gleich wieder klar ins Davit gehängt und um 2 Uhr verschwindet er nicht weit vorn Feuerturm wieder in der Tiefe, es wird wieder ordentlich Kette gesteckt, und dann kann die gestörte Nachtruhe wieder fortgesetzt werden.

Am Mittwoch morgen gab es eine Überraschung. Man hatte Gesellschaft bekommen, und zwar wurde vermutet, es seien die Danziger, Bekannte von Sandhamn, und als man um 10 Uhr nochmals ankerauf ging, um einen noch sicheren Platz zu suchen, bewahrheitete sich die Vermutung und Grüße wurden ausgetauscht. Nun fand man eine herrlich geschützte Bucht mit klarem Sandboden, der Strand war dicht bewaldet, so daß auch der Sturm den »AR« nicht packen konnte. Es begannen zwei herrliche Tage. Kapitän, Smutje und Junge unternahmen erst einmal eine Entdeckungsreise an Land. Das war mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Der Strand bestand aus einem Steinwall, und als das Boot zu nahe herankam, wurde es von der Brandung gefaßt und zwischen die Steine gesetzt. Es gelang glücklicherweise, das Boot unbeschädigt wieder flott zu kriegen. Es fand sich bald ein kleiner Hafen, aus dem ein Fischer die Steine weggeräumt hatte, um mit seinem Kahn hineinfahren zu können. Hier hinein ging es dann.
Das Beiboot wurde auf Land gezogen, damit die Brandung es nicht zertrümmern oder wegtreiben konnte. Die Landung war also geglückt, der Vorstoß in den Urwald konnte beginnen. Es ist wirklich ein herrlich wilder Wald, in dem man sich unwillkürlich nach Wölfen und Bären umsieht. Des Jungen landwirtschaftliches Auge entdeckte bald allerlei fruchtbare Sträucher, als da sind Erdbeeren, Bickbeeren, Himbeeren und Kronsbeeren, und zwar gab es da wahre Prachtexemplare. Es wurde beschlossen, wieder zum Schiff zu fahren, dem Bootsmann schnell zu helfen und dann mit allerlei Töpfen bewaffnet den Beeren zu Leibe zu gehen. Als man dann wieder bei den Aufräumungsarbeiten an Bord war, segelten die Danziger vorbei mit Sturmfock und stark gerefftem Großsegel. »Sie werden wohl wiederkommen, wenn sie naß genug sind«, kalkulierte der Kapitän. Nun wurde der »AR« von der gesamten Mannschaft verlassen zur Beerenjagd. Die Töpfe waren bald voll wunderbarer Bickbeeren, auch die Mägen waren gefüllt mit aromatischen Erdbeeren, dazu genoß man die wunderbare Wildnis des großen Waldes. Als man gegen Abend den Strand wieder erreichte, traf man dort einen Fischer, und bald war eine Unterhaltung angeknüpft über seine Fischerei sowie Land und Leute, auch über den Beerenreichtum wurde gesprochen. »Hier suchen die Leute keine Beeren!« Zuletzt wurden noch für ein paar Ör Aale gekauft. Die Barschaft langte gerade noch für drei Pfund; da keine Waage da war, wurde taxiert, und so gab es pro »Beist« einen Aal. »Danzig« war unterdessen auch schon wieder von der »Badereise« zurückgekehrt; Kapitän hatte recht gehabt. Abends gab es mit den Danziger Leidensgenossen einen Grogabend auf »AR«, und für den nächsten Tag wurde eine gemeinsame Landexkursion beschlossen, denn auf beiden Schiffen wurde das Brot knapp.

Nachdem man sich am Donnerstag mittag am Smutaal gehörig gesättigt und an einem Schnaps ermutigt hatte, kam der große Vorstoß auf Gränkulla, das Negerdorf. Von »Danzig« wurden vier Mann entsandt, von »AR« drei. Die Boote wurden an Land gezogen und der Ausflug begann. Während man den Urwald durchquerte, wurde der Nachtisch eingenommen: Erdbeeren. Eine Eisenbahnstrecke wurde überschritten und ein Steinwall mußte gestürmt werden, dann kam man in kultiviertere Gegenden, d. h. an Acker mit spärlichem Getreide und Kartoffeln — die Brotaussichten waren danach nicht gerade glänzend. Dann kam das Dorf, kleine Holzhäuschen, mit Stroh oder Schindeln gedeckt und umgeben von einem aus ineinandergesteckten Ästen gemachten Zaun oder einer Mauer aus kunstvoll übereinander geschichteten Steinen, die die Leute wohl vom Strand geholt hatten. Bei einem größeren Hause, wo Kinder im Obsthof spielten und ein Pferd weidete, versuchte der Kapitän sein Heil, doch die Kinder flüchteten schnell ins Haus. Nach einiger Zeit steckte die Mutter vorsichtig den Kopf zur Türe heraus, aber sie wollte kein Brot verkaufen. Man mußte also wieder abziehen, und als man an ein sauber gestrichenes Häuschen mit einer Veranda und einer Reisetasche davor kam, meinte einer der Danziger Herren, hier wohne sicher der Missionar. Als man dann den Klang eines Harmoniums aus dem Hause vernahm, war das Vergnügen natürlich groß. Man traf auch eine junge Frau, die anscheinend keine Angst vor den Fremdlingen hatte, und von ihr erfuhr der Kapitän, daß man nur in dem nächsten Dorf etwas kaufen könne, das sieben Meilen entfernt sei, es führe auch eine Eisenbahn dahin, aber nur dann, wenn genug Fahrgäste da seien. Nach der Übersetzung dieser Unterredung wieder allgemeines Amüsement, man zog sich dann langsam zurück, indem die Beerensträucher weiter geplündert wurden. Als gegen Abend der Strand wieder erreicht war, reizten die vielen Steine zu neuen Taten, und es wurden Wasserjungfern geworfen und darauf ein großer im Wasser liegender Stein bombardiert, über jeden Treffer herrschte große Freude. Die Granaten wurden immer größer, schließlich war ein ganzer Steinwall aufgeschüttet und man konnte auf seinen Taten ausruhen. Abends wurde der Salon des »AR« wieder zur Grogstube. Spät verabschiedete man sich. Der Sturm hatte nachgelassen und die Reise sollte weitergehen.

Reise, reise!« ruft der Bootsmann durchs Schiff. Es ist 5 Uhr am Freitag, dem 8. August, und es weht eine leichte NW-Brise. Um 5,30 Uhr führte der »AR« unter großem Geheule der Mannschaft eine Schleife um »Danzig« aus um zu wecken, dann gings mit Motor bis zu der Sundeinfahrt, wo die Jungfrau begrüßt wurde, und unter Vollzeug raumschots auf Borgholm zu. Zum Kaffee gab es das letzte Brot und mittags Pfannkuchen mit Bickbeerkompott. Um 12,40 Uhr mußte leider der Motor wieder angestellt werden, weil kein Windhauch mehr zu spüren war. Der Plan war, heute abend noch in Kalmar die Mundvorräte aufzufüllen und sobald Wind aufkäme, weiterzusegeln. Leider wurde Kalmar erst um 7 Uhr erreicht. Als vor der Hafeneinfahrt der Motor etwas gedrosselt wurde, streikte er einfach, und zwar an der gefährlichsten Ecke, an StB. war es 2 m tief und an BB. nur 1,70 m. Das ist bei 2,10 m Tiefgang etwas wenig. Die Segel waren schon alle geborgen und unter Bezügen, als der Motor nicht wieder ansprang. Nun hieß es wieder fix sein, es handelte sich um Sekunden: »Hoch die Fock!« hallte es über Deck, und sie kletterte auch schon fix am Stag empor, glücklicherweise war wieder etwas Brise durchgekommen, so daß der »AR« wieder langsam in den Sund zurückglitt, um dann mit angepreßter Fock und Besan in den Hafen zu segeln, man konnte gerade noch anliegen. Im Hafen kam ein kleiner Aufschießer, die Segel sausten an Deck und der »AR« glitt sachte ans Bollwerk. Es war mittlerweile ½8 Uhr geworden und zum Einkäufen zu spät. Die Brise legte noch zu, der Bootsmann aber fluchte, daß man diese feine »Gelegenheit« im Hafen verpassen mußte.

Am Sonnabend mittag um 11,30 Uhr war alles an Bord: Proviant und Munition in Form von Briketts und Benzin. Der Motor war von einem Monteur nachgesehen worden und lief wieder. Auch wurde noch ein kleiner Tauschhandel mit »Danzig« gemacht, die noch am späten Abend in den Hafen gekommen war. Um 11,45 Uhr wurde losgeworfen und es ging hinaus in den Sund, es stand eine leichte Brise aus NO und die Sonne meinte es sehr gut. Aus Bootshaken und Riemen wurde ein Spinnakerbaum konstruiert und dann der große Ballon als Spinnaker gefahren. Aber damit es nicht langweilig wurde, änderte der Wind bald seine Richtung, verschwand auch einmal ganz, so daß ein rechtes Windsuchen begann, bis sich gegen 4 Uhr eine frische SSW-Brise durchsetzte, und anstatt zu Spinnakern mußte man kreuzen. Der Sund wimmelte an diesem Nachmittag von Schiffen, es machte viel Spaß, die großen Schoner auszukreuzen, und als es dunkel wurde, kreuzte der »AR«, der nachmittags der letzte war, an der Spitze. — An diesem Nachmittag ereignete sich noch ein Zwischenfall, der dumm hätte auslaufen können. Es war ungefähr mitten im Sund nördlich von Utgrunden gegen ½6 Uhr, als zwei Dampfer derselben Stockholmer Reederei von Kalmar herkamen; es hatte den Anschein, als ob sie eine Wettfahrt machten. Der »AR« segelte auf BB.-Bug; der erste Dampfer ging hinter der Yacht herum, aber der zweite blieb auf Kurs, und bald sah der Bootsmann, der am Steuer saß, ein, daß der Dampfer keine Miene machte auszuweichen, es jetzt auch schon nicht mehr konnte, auch der »AR« konnte nicht mehr über Stag gehen, weil er nicht aus der Fahrt kommen durfte. Der Bootsmann hatte den Dampfer scharf im Auge, auf diesem regte sich nichts, bis auf einmal der Schatten der Segel auf die Brücke fiel, da kam dort Leben in die Schläfer. Man konnte beobachten, wie der Steuermann anfing, sein Rad zu drehen, aber es war schon so spät, daß der »AR« mitdrehen mußte und dann sofort wieder gegen, um nicht in die Schraube hineingezogen zu werden. Das waren aufregende Sekunden. Der Name des Dampfers wurde notiert, um eine Beschwerde einzureichen. Nachdem dieser gefährliche Schlag vollendet war, konnte man Utlängen anliegen, das mit einschlafender, aber räumender Brise um 9,30 Uhr erreicht wurde. Zwischen Utlängen und Utklippen begegnete der »AR« einer hochgetakelten Yawl auf Gegenkurs, da man vermutete, es könnte die neue »Sprott« aus Kiel sein, wurde die Yawl angerufen, aber von drüben kam die Antwort: »Wir können Euch nicht verstehen!« Als man es nochmals versuchte, kam es zurück: »Jeg kan ikke forstaa.« Diese Antwort bewies ihre Wahrheit, und bald wurde die Entfernung auch für eine weitere Verständigung zu groß.

Am Sonntag, dem 10. August, nahm die Brise wieder langsam zu, so daß Ballon und Flieger, die die ganze Nacht über gestanden hatten, geborgen werden mußten. Während der Nacht war der Kurs WzN gewesen, und gegen 10 Uhr wurde bei Hanö über Stag gegangen, der Wind legte bis 3 Uhr immer noch zu, so daß der »AR« Deck zu Wasser bekam und zeitweise gegen die See acht Meilen lief. Dabei war herrliches Sonntagswetter, Delphine umspielten das Log, sie begleiteten das Schiff stundenlang. Am Abend kam das Feuer von Hammern auf Bornholm zu BB. auf und es wurde über Stag gegangen. Um 1 Uhr konnte eine Peilung von Sandhammar und Hammern eingetragen werden, dann ging es mit Kurs WSW auf Sandhammaren zu. An diesem Tage hatte man ungezählte Schiffe gesehen, auch während der Nacht kamen immer wieder Lichter auf und verschwanden. Sogar ein vollgetakelter Viermaster zog gespenstisch vorüber. Zur Nacht ging die Brise wieder schlafen und der »AR« wurde von der noch stehenden See ordentlich geschaukelt.

Am Montag, dem 11. August, wurde um 5 Uhr Sandhammaren erreicht, es lag leichter Nebel auf dem Wasser, der aber bald verschwand. Von 2 Uhr ab hatte der Motor wieder helfen müssen, weil die See mit dem »AR« Ball gespielt hatte. Das Wetter war an diesem Tage genau wie am Tage zuvor. Die Windstärke wuchs ständig bis gegen Abend und flaute allerdings bis zum Morgen wieder ein wenig ab. Um 10,45 Uhr passierte die Schoneryacht »Flamingo« mit Kurs auf Ystadt, sie dippte die Flagge und der Gruß wurde ebenso feierlich erwidert. Vor Möensklint schaukelte eine stattliche Fischerflotte, es war 6 Uhr und die Fischer wollten wohl ihre Netze heben, weil es in der Nacht hart zu werden drohte. Um 6 Uhr wurde angeluvt SW½W-Kurs auf Gjedser Riff Feuerschiff. Als man den Grönsund passiert hatte — es ging schnell, der »AR« machte neun Meilen —, leuchtete auch das Feuer von Hestehoved auf. Es brach eine finstere Nacht an, in welcher der »AR« mit seltener Eile gegen die See anbrauste. Um 10,30 Uhr wurde Gjedser Riff passiert, das Feuerschiff blieb an BB. Um die Ecke von Gjedser stand eine scheußliche Dünung, als gegen 12 Uhr das Großsegel geborgen wurde, um nicht vor Hellwerden nach Rødbyhavn zu kommen, planschte das Wasser zu beiden Seiten an Deck und im Schiff war ein Krach, als ob der Teufel darin hause. Das Geschirr klirrte, die Flaschen gingen in der Bilge und unter den Sofas spazieren, die Takelage klapperte, es war ein Höllenlärm, an Schlaf war nicht zu denken, dazu mußte man sich gut festhalten, um nicht aus den Kojen geschleudert zu werden.

In der Morgendämmerung des 12. August wurde das Großsegel wieder geheißt und bald lag der »AR« ruhiger. Um 6 Uhr wurde in Rødbyhavn festgemacht. Der Kapitän wollte Direktor Didel Fischer und Frau dort besuchen, aber da dieser zu der Zeit in Deutschland war, wurde nur Trinkwasser und etwas Proviant an Bord genommen, schon um 12 Uhr ging es wieder in See mit Kurs auf Kiel. Ein Tag herrlichsten Wetters, die See hatte sich wieder beruhigt, es stand eine leichte südliche Brise. Gegen 3 Uhr wurde nur noch Langelands Südspitze passiert; am Nachmittag kam man in ein Torpedobootmanöver und konnte das Scheibenschießen sehr schön beobachten. Kurz vor Friedrichsort wurde das auslaufende Schulschiff passiert und Grüße getauscht. 8,45 Uhr lagen die Holtenauer Schleusen querab. Nun glitt der »AR« gemächlich an den Resten der deutschen Flotte vorbei bis nach Kiel hinein, um dort evtl. eine leere Boje zu ergattern. Da das leider nicht gelang, mußte man wieder beidrehen, um gegen 10 Uhr querab vom Kaiserlichen Yacht-Club zu ankern.

In Kiel gab es zwei Tage Aufenthalt mit Besuch und Einladungen. Leider war die Bewegungsfreiheit durch anhaltendes Regenwetter stark beschränkt. Als es am Freitag mittag etwas aufklarte, wurde um 1,40 Uhr der Anker gehievt und der »AR« dampfte gen Holtenau. Dort mußte man bis gegen 4 Uhr warten, es wurde an einem Dückdalben festgemacht und erst gemütlich gespeist. In der Schleuse gab es wieder die üblichen Schwierigkeiten und es kam ein Lotse an Bord. Nun fing es auch wieder an zu regnen und regnete fast die ganze Nacht hindurch. Bis Rendsburg mußte der Motor gegen den Wind drücken, aber dann zog das geheißte und mittschiffs geholte Großsegel zeitweilig etwas mit. Auf der Lotsenstation wurde gegen 9 Uhr der Lotse gewechselt und um 4,15 Uhr lief der »AR« in die Brunsbütteler Schleuse ein.

An diesem Sonnabend kam nun der letzte Seetörn, und er war segelsportlich der schönste. Um 5 Uhr öffnete sich das Schleusentor nach der Elbe zu. Der »AR« war der erste, der hinausdampfte, denn es war keine Zeit zu verlieren, wenn man mit der Tide herumkommen wollte. Aber der »AR« kroch wie eine Schnecke, denn es stand eine harte Brise auf der Schleuse, gegen die der kleine Motor nur schwerlich ankonnte, und der hoch beladene Dreimastschoner dampfte flott vorbei und kam sogar bald außer Sicht. Erst nach einer Stunde war die Elbe erreicht, man konnte Segel setzen und an den Wind drehen. Nun ging es besser, der »AR« fühlte sich sehr wohl, wie auch seine Crew, und je weiter man nach draußen kam, desto schöner wurde es. Bei Feuerschiff Elbe III wurde der Holzschoner, der jetzt segelte und motorte, eingeholt, überholt und sogar noch eine zeitlang mit einem Dampfer Schritt gehalten. Dort draußen stand eine hohe und lange See, so daß man lang in den Wellentälern entlangsehen konnte. Es war eine Freude, wie stetig und mit was für sanften Bewegungen der »AR« in der See lag, und wie verhältnismäßig trocken er dagegen ankreuzte, während der Schoner bei jeder See seinen Klüverbaum hineinstippte. Leider ließ die Brise am Nachmittag, als Rotesand noch nicht erreicht war, nach, und so wurde der Steuerbordschlag immer ein feuchtes Vergnügen zumal die Fahrt sehr nachließ. Da die Brise bei Hoheweg fast ganz versagte und die Ebbe bald einsetzte, mußte man um 5,45 Uhr auf Langlütjensand vor Anker gehen, um mit der Abendflut noch nach Bremerhaven zu kommen. Bevor man zur Ruhe kam, wurde noch das Salz von Deck gespült, aber zum Weitersegeln langte der Mut nicht mehr, und nach dem Abendessen sank alles totmüde in die Kojen.

Am Sonntag, dem 17. August, war um ½1O Uhr Ebbe in Bremerhaven, und so ging der »AR« um 9 Uhr ankerauf und strebte der Heimat zu. Der Stander des K.Y.C., der während der ganzen Reise vom Großtop geweht hatte und arg zerzaust war, wurde nun gestrichen und der Stander des W.Y.C. über der schwedischen Flagge im Großtop geheißt, während unter der Nationalflagge ein langer Heimatwimpel vom Besanmast flatterte. Das Schiff wurde noch einmal von oben bis unten gesäubert, alles Messing durchgeputzt, und so kam es blitzblank von einer 6½ Wochen langen Seereise, während der es ca. 1500 Seemeilen zurückgelegt hatte, zurück. An diesem Tage mußte noch fleißig gekreuzt werden, denn die ganze Weser bis Blumenthal war aufzukreuzen, es war nur gut, daß ein ganz frischer Wind wehte. Bei Bremerhaven wurden die ersten Bekannten begrüßt, es war »Alk«, die eine größere Sonnabend- und Sonntagstour gemacht hatte. Von Brake ab war die Weser dann belebt wie an jedem Sonntag, so daß es mit viel Gesellschaft und mit Musik gen Lemwerder ging. Vor Vegesack wurde das Großsegel geborgen und dann ging es noch ein Stück weit weseraufwärts. Es wurde gewendet, der Motor wurde angestellt, und wie der »AR« in den Yachthafen einbog und durch den Wind ging, sausten auch Fock und Besan an Deck. Um 4,20 Uhr lag das stolze Schiff zum ersten Male im Heimathafen vertäut, und somit war die Sommerreise 1924 beendet. Für die vier daran Beteiligten wird sie immer eine schöne Erinnerung bleiben.

Nachdem noch mancherlei Besuch an Bord gewesen war, wurde sich »landfein« gemacht und nach Hause gepilgert. Dort war die Aufregung groß, denn die besorgten Frauen hatten schon tagelang überlegt, auf welch schreckliche Art und Weise die »AR«-Mannschaft wohl umgekommen sein könnte: Motor explodiert, Schiff verbrannt, gestrandet, Mannschaft verhungert u.a.m. Am Freitag abend waren sie schon zum Hafen gewesen, und als der »AR« am Sonnabend noch nicht da war, wurden allerlei Todesmöglichkeiten ausgesucht. — Die Freude war daher sehr groß, als die ganze Crew noch lebte, obgleich sie nicht in fünf Stunden von Kiel nach Vegesack gesegelt war.

Tourenkreuzer »AR«

26 To. T. M.

Großsegel 54,15 m²
Besan 26,40 „
Vorsegel A 27,30 „
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Vermessungsfläche 107,85 m²